Basierend auf den Schriften von Joseph Campbell wurden in den achtziger Jahren mehrere Modelle der Heldenreise entwickelt, die die Entwicklung der Hauptfigur eines klassischen Films darstellen. Der Held geht auf eine Reise, die die drei Phasen: Trennung, Prüfungen, Ankunft umfasst.
Aufbauend auf der 3-Akt-Struktur, werden in der Heldenreise die drei Hauptphasen in einzelne Schritte unterteilt. Auf diesem Weg entsteht eine Schritt für Schritt Anleitung für große Geschichten. Wäre es nicht ein "bisschen komplexer" könnte man fast sagen: "Malen nach zahlen für Geschichten". Aber Vorsicht: Es ist nur das Gerippe. Nur die Struktur. Um den Inhalt darfst du dich schon noch selber kümmern. Doch auch da gibt es Hilfen:
Denn da wir es gerade von "Malen nach Zahlen" haben: Die Struktur der Heldenreise funktioniert als Strukturierendes Gerippe, egal welchen Plottyp man wählt um das Gerippe mit Inhalt zu füllen (Siehe Masterplots oder Geschichten schreiben nach Vorlage).
Das Problem: Es werden plötzlich alle Geschichten gleich. Zumindest in der Struktur. Doch das Gute ist: Das fällt uns meist gar nicht auf. Oder findest du, dass "Eragon - das Vermächtnis der Drachenreiter" und "Starwars" der gleiche Film sind?
"OK. Also lese ich jetzt Campbell's "Heros in tausend Gestalten" und dann schreibe ich einen Blockbuster nach dem Anderen?"
Die Antwort ist wohl wenig überraschend: Nein. Vermutlich eher nicht.
Da Campbell's Schriften mehr eine Analyse als eine Anleitung waren, haben sich in den folgenden Jahren mehrere Interpretationen etabliert, die zwischen 12 und 15 Schritte definieren, in denen so eine Heldenreise abläuft.
Blake Snyder hat es dann auf die Spitze getrieben und die einzelnen Schritte bis zur konkreten Wortanzahl definiert.
Wenn du also wirklich "Malen nach Zahlen" für Schriftsteller suchst, ist Blake Snyder dein Mann. Doch mehr zu Blake Snyders "Beat Sheets" später.
Wenige schreiben, wie ein Architekt baut, der zuvor einen Plan entworfen und bis ins einzelne durchdacht hat; vielmehr die meisten nur so, wie man Domino spielt.
Arthur Schopenhauer (1788-1860), dt. Philosoph
Alles in Allem ist mein Eindruck: Egal welchen dieser Blueprints du verwenden möchtest, es ändert nichts grundlegendes daran, dass das Modell der Heldenreise das Gerippe für eine legendäre Geschichte ist.
Warum?
Weil sie Elemente beinhaltet, die uns mitnehmen.
Beispielsweise die Weigerung (Hier Schritt D), in der sich der Protagonist weigert, die Aufgabe anzunehmen. Er will nicht aus seinem "normalen Leben" heraustreten. Wie glaubhaft wäre auch ein "Normaler Typ", der sich einfach "Mir nichts, dir nichts" in ein selbstmörderisches Abenteuer begibt? Wie gut könntest du dich mit diesem Charakter identifizieren?
Die meisten wohl eher weniger...
Doch wenn er sich erst weigert, dann aber durch übermächtige Umstände gezwungen wird, sein normales Leben zu verlassen? Dann können wir wieder mitgehen: "Ja, in DEM Fall hätte ich das auch getan...".
Es geht also um den Aufbau von Rapport zum Leser. Wohl das wichtigste, was ein Autor zu leisten hat, der hypnotisch schreiben möchte.
Wenn du dir also die tiefgreifenden und philosophischen Überlegungen selber ersparen möchtest, was eine gute Geschichte ausmacht: Hier das Modell der Heldenreise in drei Phasen:
„Die Phase der Trennung beginnt mit der Vorstellung des Status Quo (A: Status Quo). Ein initialer Auslöser setzt die Handlung in Gang (B: Auslöser). Oft erhält der Protagonist einen Gegenstand oder eine Auskunft, die für seine ‚Reise‘ von Bedeutung sein wird (C: Gabe). Doch viele Helden zögern, ob sie die Reise antreten sollen. Ist ein Held hingegen bereit, sich auf das Abenteuer einzulassen, dann wird ihm zumeist von seiner Umwelt abgeraten, seine Lebenssituation zu verändern (D: Weigerung oder Warnung). Im Verlauf des Akts werden schließlich noch eine oder mehrere Figuren etabliert (E: Berater), die die Hauptfigur auf den Weg in den zweiten Akt begleiten – in die Phase der Prüfungen.“
Spielfilmdramaturgie (Wikipedia)
Du erinnerst dich noch, dass ich meinte, die Heldenreise liefert nur das Gerippe zu deiner Geschichte? Hier kommt nun der Punkt, der den Vorwurf entkräftet, dass dann ja alle Geschichten gleich wären: Du bist derjenige, der dieses Gerippe nun mit Fleisch füllt.
Oder um mich aus der Frankenstein-Metapher zu befreien: Diese Schritte können dir das Erschaffen einer grandiosen Geschichte erleichtern. Doch den großartigen und mitreißenden Inhalt. Das darfst weiterhin du selbst erschaffen. Und zwar so kreativ wie du es magst.
Und selbst für die unter meinen Lesern, die sich nicht einengen lassen möchten, kann ich die Lektüre des Modells der Heldenreise als Inspiration empfehlen. Und vielleicht erkennst du ja deinen Lieblingsfilm darin wieder? Doch was dich vielleicht besonders freut: Selbst das Brechen der Strukturen der Heldenreise kann zu einer großartigen Geschichte führen. Doch wie bei allem Handwerkszeug gilt: Erst solltest du es kennen und beherrschen, bevor du es brichst 🙂
Die Stationen der Heldenreise in der Phase der Trennung sind:
In dieser zweiten Phase besteht der Protagonist oder die Protagonistin eine Reihe von Abenteuern, in deren Verlauf er oder sie sich ändert. Die Figur geht nicht nur auf eine äußere Reise, sondern auch auf eine innere Reise. „Zu unterscheiden sind Prüfungen, die vor dem zentralen Wendepunkt abgelegt werden (F) und solche, die danach stattfinden (G).“ Im Verlauf der zweiten Hälfte des zweiten Akts erlebt die Figur einen Moment der Selbsterkenntnis (H), so dass sie geläutert die Schwelle zur Phase der Ankunft überschreiten kann.
Spielfilmdramaturgie (Wikipedia)
„In dieser Phase des Films erledigt die Figur zunächst neue Aufgaben (I). Es folgt die finale Auseinandersetzung (J), die oft in Form eines showdowns abläuft und häufig durch eine last minute rescue beendet wird. Die finale Auseinandersetzung klärt alle im Verlauf des Films aufgeworfenen Fragen (K). Besteht der Held die Auseinandersetzung, so wird er belohnt; versagt er, so wird er bestraft (L). In einem Epilog, der sich häufig anschließt, wird dieser Ausgang noch einmal bekräftigt (M).“
Spielfilmdramaturgie (Wikipedia)
Oder die abgewandelte Form: